Über die hohe Emotionalität von Mutter-Tochter-Konflikten
„Zickig“ oder einfach nur tief berührt?
„Wenn meine Frau und ihre Mutter zu streiten anfangen, such ich das Weite. Das ist mir zu zickig.“
...sagte der Mann in unserer Familienberatung, während seine Frau betreten zur Seite blickte. Solche Sätze habe ich in meiner Arbeit immer wieder gehört. Konflikte zwischen Müttern und Töchtern werden schnell abgetan – als „Drama“, „Zickenkrieg“ oder „Hysterie“. Worte, die uns das Gefühl geben, falsch zu sein. Zu viel. Zu emotional. Zu empfindlich. Aber ist das wirklich so? Oder steckt hinter diesen Konflikten vielleicht etwas, das uns noch viel tiefer berührt?
Mutter-Tochter-Streitigkeiten sind oft intensive Begegnungen, die uns an unsere innersten Themen heranführen. Und genau deshalb sind sie auch so wichtig. Höchste Zeit also, diese Zuschreibungen endlich loszulassen – und den Blick darauf zu richten, was diese Konflikte uns wirklich sagen wollen.
Was Worte wie „zickig“ mit uns machen. Danke, Patriarchat!
„Zickig“, „hysterisch“, „Drama Queen“ – alles Worte mit scharfer Wirkung. Sie lassen uns zweifeln. Nicht nur an unserer Kommunikation, sondern an uns selbst. Bin ich wirklich zu viel? Warum geht mir das alles so nah?
Das Problem an diesen Begriffen ist, dass sie abwerten und vereinfachen, was eigentlich komplex ist. Sie kommen aus einem tief patriarchalen Kontext, der weibliche Emotionen oft als unangemessen oder störend einstuft.
Früher wurde die medizinische Diagnose ‚Hysterie‘ als patriarchales Kontrollinstrument genutzt, um Frauen zu disziplinieren und ihre Gefühle, Wut oder auch ihren Protest gegen soziale Ungerechtigkeiten zu delegitimieren. Besonders in engen Beziehungen, wie zwischen Mutter und Tochter, wurde diese Zuschreibung oft auf Konflikte angewendet, um die emotionale Tiefe und Berechtigung der Auseinandersetzungen zu entwerten. Und das wirkt oft heute noch:
Obwohl Hysterie in der Medizin längst überholt ist, leben ähnliche Begriffe wie „hysterisch“, „überemotional“ oder „zickig“ im Alltag fort. Sie wirken subtil weiter und drücken die gleiche Haltung aus: dass starke Emotionen – vor allem bei Frauen – unangemessen oder übertrieben seien.
Gute Gründe für Emotionalität: Warum Mutter-Tochter-Konflikte alles andere als banal sind
Dank dieser tiefsitzenden hemmenden Zuschreibungen wird oft eine tiefere Reflexion über die Ursachen von Konflikten verhindert. Dabei hilft es, sich bewusst zu machen, dass es vollkommen nachvollziehbar ist, dass in der Mutter-Tochter-Beziehung immer wieder gestritten wird und werden darf – und zwar ein Leben lang, und: JAAA - BITTE EMOTIONAL! Denn:
Mutter-Tochter-Beziehungen sind nicht einfach nur Familienbande. Sie sind geprägt von tiefen Bindungs- und Konfliktmustern, die uns unser ganzes Leben begleiten. In diesen Auseinandersetzungen geht es oft um mehr als das, was an der Oberfläche sichtbar ist.
Wer kennt’s? Ein Streit über eine Kleinigkeit – wie ein „falscher“ Kommentar – wird plötzlich so groß, dass er euch beide erschöpft zurücklässt. Warum? Weil diese Konflikte oft unbewusste Themen berühren: das Bedürfnis, gesehen zu werden. Ungesagte Erwartungen. Oder der Wunsch nach Anerkennung, der irgendwo zwischen eigener Identitätsentwicklung, Kindern und Karrieren auf der Strecke geblieben ist.
Vielleicht hilft auch dir, es schwarz auf weiß zu lesen:
Die emotionale Intensität von Mutter-Tochter-Konflikten ist kein Zeichen von Schwäche, Versagen oder „Drama“. Sie zeigt schlicht, wie prägend diese Beziehung für uns ist – und wie tief sie in uns hineinreicht.
Je emotionaler der Konflikt, desto herzlicher die Einladung hinzusehen
Was, wenn wir die Intensität der Konflikte nicht mehr als Belastung sehen, sondern als Einladung?
Eine Einladung, genauer hinzuschauen:
- - Was berührt mich so stark in diesem Streit?
- - Was sagt er über das, was ich von mir selbst oder der anderen Person erwarte?
- - Welche Funktion könnte dieser Konflikt gerade für mich erfüllen? Und welche für unsere Beziehung?
Wenn wir aufhören, uns kleinzumachen, entstehen neue Perspektiven und Raum. Raum für Klarheit. Für Verständnis. Und vielleicht auch für etwas Heilung. Vor allem öffnet sich eine Tür in die konstruktive Gestaltung: WIE wollen wir weitermachen? Denn das WIE liegt in unserer Hand.
Mutter-Tochter-Konflikte berühren oft die tiefsten Themen und Glaubenssätze. Natürlich fühlt sich das manchmal schmerzhaft an. Aber gerade darin steckt eine Chance: Wenn wir verstehen, was hinter diesen Emotionen liegt, können wir eine neue Ebene der Beziehung entwickeln – eine, die auf Augenhöhe basiert und die uns emotional gut tut.
Voller #Konfliktliebe,
Christiane
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