Eine Reflexion zum Abschluss unserer Kitazeit
Was macht eine gute Kindergartenzeit aus?
Für uns geht diese Woche die Kindergartenzeit zu Ende
Den Kuchen auf dem Bild gab es zum Abschied für die Erzieherinnen - "Vielen Dank für die Hilfe beim Großziehen" wollte mein Sohn draufgeschrieben haben.
Meine Kids und wir Eltern haben uns bei unseren Einrichtungen (es waren zwei über die Jahre), mit den jeweiligen Bezugserzieherinnen, den Leitungen, den Teams immer wohl gefühlt.
Klaro, gab es Themen und zwickte und zwackte auch mal hier und da, aber heute, resümierend kann ich sagen:
Wir hatten eine schöne, stärkende Kitazeit. Darüber bin ich mega dankbar und will mit diesem Beitrag kurz reflektieren, was mir rückblickend dabei geholfen hat, eine gute Kindergartenzeit gehabt zu haben. Denn ich weiß von vielen anderen Eltern und Erfahrungen, dass das absolut nicht selbstverständlich ist und das Thema Kita ein absoluter Krisen-Dauerbrenner für Familien sein kann.
Kein Kind hat die gleichen Eltern — auch Geschwister nicht!
In meiner Familienberatungs-Weiterbildung hatten wir mal einen interessanten Austausch, der mir immer wieder in den Sinn kommt: Es ging darum, dass kein Kind auf der Welt die gleichen Eltern hat, denn: Jedes Kind hat ein anderes Wesen, macht eigene Erfahrungen, die Beziehungen zu den Eltern sind individuell, die Reaktionen und die Wahrnehmung des Umfelds sind anders – selbst Zwillingskinder, die unter den gleichen Bedingungen aufwachsen, unterscheiden sich in den Erfahrungen, die sie machen und darin, wie sie ihre Familie ganz individuell erleben, lösen andere Resonanz und Dynamiken aus, werden unterschiedlich behandelt.
Dadurch erklärt sich, dass Geschwister – also Kinder der gleichen Eltern – die eigene Kindheit manchmal komplett anders erleben und beurteilen als der Bruder oder die Schwester.
Ich finde, das gleiche gilt für die Kita-Zeit:
Kein Kind besucht den gleichen Kindergarten
In ein und derselben Einrichtung, versorgt durch die identischen Erzieher:innen macht jedes Kind eigene, mitunter sehr verschiedene Erfahrungen. Erlebt Beziehungen anders. Bekommt fortlaufend andere Erfahrungs-Bälle zugespielt, spielt andere Bälle wieder zurück. Der gleiche Ort, das gleiche Gebäude, die gleichen sich kümmernden Menschen können für das eine Kind förderlich und stärkend wirken, während ein Anderes vielleicht prägende schlechte Erfahrungen macht.
Ein Kindergarten — Viele Wahrheiten
Auch wie die Eltern die identische Einrichtung erleben und einschätzen, kann völlig unterschiedlich sein: Die einen kommen gut zurecht, vertrauen in die Einrichtung und die Fachkräfte, Kommunikation und Austausch klappt – während andere schlechte Erfahrungen machen und das Vertrauen in die Einrichtung verloren geht. Ich war im Austausch mit anderen Eltern, mit den Fachkräften und der Einrichtungsleitung auch immer mal wieder überrascht: Sprechen wir hier vom gleichen Kindergarten?
Dabei fand ich immer wieder wichtig, das Prinzip der „vielen Wahrheiten“ im Hinterkopf zu behalten, denn sonst passiert es leicht, dass wir die Erfahrungen der anderen nicht ernst nehmen: „Mhm, wir haben immer gute Erfahrungen mit Erzieherin XY gemacht. Wenn andere Eltern mit ihr nicht klarkommen, muss es wohl an ihnen liegen…“ Solche bewertenden Gedanken – seien wir ehrlich – haben wir alle schnell. Wenn auch manchmal nur eine Millisekunde, bevor wir uns einlassen auf die Wahrheit des anderen.
Natürlich gibt es Themen und Wahrheiten, bei denen kann und darf es keine unterschiedlichen Blickwinkel und Einschätzungen geben. Ein klares Gewaltschutzkonzept gehört zum Beispiel dazu, aber bei genauerem Hinsehen ist schnell klar: Schon bei der Frage, wo fängt Gewalt an, gibt es für alle an Kita-Beteiligten (Eltern, Fachkräfte, Kinder) immer wieder unterschiedliche Auffassungen.
Kitas tun gut daran, ihre pädagogische Haltung, ihre Auffassungen von Gewalt, ihre konzeptionellen Überlegungen zur Alltagsgestaltung, Abläufen, Umgang mit schwierigem Verhalten der Kinder usw. transparent zu machen und mit den Eltern in Austausch zu gehen. Aber was, wenn die Elternschaft dazu gar nicht bereit ist? Und Austauschangebote gar nicht wahrnimmt? Viele Kitas stehen alltäglich auch in der Elternkommunikation vor enormen Herausforderungen. Und da haben wir vom pädagogischen Alltag und den strukturellen Problemen noch gar nicht gesprochen. Ich war mir all dieser Schwierigkeiten immer sehr bewusst.
Hilfreiche Zutaten für eine gelingende Kindergartenzeit
Für mich waren rückblickend die folgenden Punkte maßgeblich an der gelingenden Kindergartenzeit beteiligt:
Ressourcen
Auch finanzielle (bei städtischen Einrichtungen in Mannheim sehr im Rahmen) – ich meine aber vor allem Ressourcen und Rahmenbedingungen (letztlich auch: Privilegien!), die die Kindergartenzeit erleichtern können, zB: ein Auto haben, um das Kind in den anderen Stadtteil zu bringen, weil eben nur dort ein Platz zu haben war, ZWEI Elternteile sein, die sich den Alltag gut aufteilen können, flexible Berufe zu haben, durch die sich viel abfangen lässt, wenn mal wieder die Zeiten verkürzt werden oder ganz dicht ist. Auch Kommunikation ist eine Ressource… All diese Ressourcen zusammengenommen tragen arg dazu bei, dass einfach weniger Druck auf der Kita-Alltags-Organisation lastet. #Dankbarkeit!
Vertrauen & Beziehungspflege
Für mich war es immer extrem hilfreich, mindestens 1-2 Personen im Team zu haben, mit denen ich mich kurz, aber vertrauensvoll austauschen konnte, zu denen ich „einen Draht“ hatte. Und ich rede nicht davon, der Kita wöchentlich mit Gesprächsterminen auf die Pelle zu rücken. (Außer einem jährlichen Entwicklungsgespräch gab es keinen längeren Austausch.) Ich meine kleine Blicke und Gesten des Gesehen werdens. Aufrichtig fragen, wie der Tag läuft. Präsent und wachsam sein in den kleinen kurzen Momenten, die man beim Bringen und Holen so hat. Kleinigkeiten wahrnehmen. Ein Gespür dafür kriegen, wie „der Laden“, die Erzieherin, die Kita „so tickt“. Dabei ist natürlich immer auch Vorsicht geboten, Stichwort: „Viele Wahrheiten“. Und vor allem sind es immer nur Momentaufnahmen. Aber ich kann sagen, dass für mich die echte und spürbare Atmosphäre einer Einrichtung immer einen großen Teil davon ausmachte, ob ich „im Vertrauen“ bin oder nicht. Und natürlich: das Gespür dafür, wie es meinem Kind hier eigentlich geht.
Haltung
Viel Vertrauensgewinn aus dem vorherigen Punkt, lässt sich glaube ich auf eine grundsätzliche Haltung zurückführen, mit der ich durchs Leben gehe. Sie lässt mich in gute Verbindung mit den Menschen kommen. Sie lässt mich erkennen, welche Themen ich selbst im Umgang mit dem Kindergarten „regeln“ kann (zB Konfliktklärungen angehen, Kommunikation mit der Leitung, Probleme ansprechen), und welche Themen im System oder in strukturellen Defiziten liegen (zB Personalmangel, verkürzte Öffnungszeiten usw.).
Die Menschen im Mittelpunkt – in jedem Moment
Abschließend fällt mir auf, dass sich meine Herangehensweise an diese Zeit so zusammenfassen lässt: Ich habe versucht, in jedem Moment die Menschen, mit denen ich es in der jeweiligen Situation zu tun hatte, und ihre jeweilige individuelle Wahrheit in den Mittelpunkt zu stellen und wahr sein zu lassen. Nebeneinander.
Kindergartenzeit ist immer auch eine Zeit voller Gleichzeitigkeiten:
Ein Kind ist am Boden zerstört, weil sein Gebautes umgeworfen wurde,
…während der getrennt lebende Vater grimmig und wortlos seine Tochter abholt,
…während die genervte Erzieherin einer Mutter die Tüte mit schmutzigen Kleidern in die Hand drückt,
…während die Kita-Leitung die dritte Person in Folge darauf hinweist, dass in der Kita-App bekanntgegeben wurde, dass morgen früher zu ist,
…während von zwei streitenden Kindern lautes Geschrei zu hören ist,
…während eine Erzieherin erschöpft auf die Uhr blickt,
...während drei kichernde Kids mit Fahrzeugen über den Hof rattern,
…während die alleinerziehende Mutter eilig durchs Gartentor schlüpft und niemandem erzählt, dass sie mitten in einem Burnout steckt,
…während ich jede Nuance all dieser Gleichzeitigkeiten mit meinem hochsensiblen Brain ungefiltert aufsauge…
All das darf nebeneinander wahr sein.
Ich bin rückblickend mit meiner "Strategie" gut gefahren, aber letztlich hatten wir auch einfach ein enormes Glück.
Wie sind oder waren deine Erfahrungen? Was hat dir geholfen? Wo gab oder gibt es regelmäßig Probleme in der Kindergartenzeit?
Da mein Herz auch weiterhin dafür schlägt, gleichwürdige Beziehungen an Kitas zu stärken (zB mit Seminaren & Workshops für Kita-Fachkräfte oder mit Eltern-Fachkraft-Mediationen im Fall von Konflikten) bin ich gespannt darauf, von deinen Erfahrungen zu hören.
Herzlich,
Christiane
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