Warum es JETZT unsere Stimme(n) braucht – Palästina & unsere Verantwortung
„Ich wünschte, ich hätte früher hingeschaut.“

Ein persönlicher und politischer Beitrag zur Meinungsbildung rund um Palästina. Über blinde Flecken, Aufklärung, Empathie und die Notwendigkeit, Haltung zu zeigen – auch (oder gerade) als privilegierte Eltern.
(M)ein Beitrag zur "öffentlichen Meinungsbildung"?
Vielleicht geht es dir ähnlich: Die Hintergründe und Geschichte von Palästina und Israel waren lange ein blinder Fleck auf meiner Bildungslandkarte. Ich bedaure und bereue, dass erst die lange intensive Auseinandersetzung meines Mannes mit dem Thema und die un-fass-baren Entwicklungen der letzten Monate dazu geführt haben, dass ich mich intensiver mit dem Thema beschäftige.
Ich wünschte - rückblickend - ich hätte schon früher damit angefangen, hätte mich schon früher intensiv darüber aufgeklärt - denn ich vermute: So wie mir geht es unheimlich vielen privilegierten, nicht direkt Betroffenen...vielen Menschen aus der "BO-Bubble"...aus der "Eltern-Bubble"... aber inzwischen sehe ich:
Hätten sich mehr (von uns) schon früher intensiv mit dem Thema beschäftigt, wäre die öffentliche Meinung schon früher "in Bewegung" geraten.
Jetzt - wo es eigentlich schon viele Tausend Menschenleben, viele kleine und größte Entwürdigungen zu spät ist - scheint sich gerade etwas zu ändern; "Eines Tages werden alle immer schon dagegen gewesen sein" hat Medico International als Aufrüttel-Spruch gestreut - und ich glaube, da ist was dran.
Ich glaube aber auch, dass es gerade jetzt noch mehr von uns braucht, damit die öffentliche Meinung auch (politisch) spürbar einen Kipppunkt erreicht. Und genau das ist mir mittlerweile klar geworden:
Meiner, unser, dein – Beitrag als „außenstehende“, privilegierte Menschen ist MINDESTENS, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten.
Und daher meine konkrete Bitte an dich:
- -> Informiere dich und leg die Scheu ab, dich mit dem Thema zu beschäftigen.
- -> Hab keine Angst davor „etwas falsch zu machen“, lass dich nicht ablenken von dem Gedanken, dass „das ja alles viel zu komplex ist“.
- -> Lass dich von deiner menschlichen Empörung und Berührtheit leiten.
- -> Werde dir klar über die Fragezeichen, die du zu dem Thema im Kopf hast.
Meine wiederkehrenden Fragen waren bzw. sind zum Beispiel:
- - Wieso sollte es antisemitisch sein, sich FÜR die Rechte der Palästinenser einzusetzen?
- - Warum tun sich viele so schwer, die verbrecherischen Vorgehensweisen der israelischen Regierung und Siedlungspolitik klar zu benennen?
- - Woran liegt es, dass alle, die sich tiefer mit der Geschichte Palästinas, israelischer Straatsgründung und Siedlungspolitik befassen, schnell zu einer pro-palästinensischen Haltung kommen?
- - Welche Rolle spielt(e) die Hamas? (Wer oder was ist überhaupt "die Hamas"?)
- - Welche Verantwortung trägt Deutschland, tragen wir als deutsche Bürger:innen - sowohl an der geschichtlichen Entwicklung als auch an den jetzt zu stellenden Weichen?
- - Wie will/kann ich damit umgehen, dass es noch viele andere drängende Ungerechtigkeiten (weltweit UND D-intern) gibt, die meine/unsere Aufmerksamkeit verdienen? (zB Sudan, Kongo, Klima, Bildungskrise, ...) Worin liegt die „Besonderheit“ des Israel/Palästina-Konflikts?
- - Woran liegt es, dass die deutsche Erinnerungskultur stark auf das jüdische Leiden in der Shoah fokussiert – nicht aber auf koloniale Gewalt, antimuslimischen Rassismus oder Palästina als Folgegeschichte? Warum kennt kaum einer das Wort „Nakba“?
- - Was hat es mit dieser ‚Staatsräson‘ eigentlich WIRKLICH auf sich?
- - An welchen Stellen muss auch ich mich an die eigene Nase packen und mir eine gewisse Doppelmoral eingestehen? Und an welchen Stellen will ich das nicht mehr bzw. lerne dazu, reflektiere und kläre (mich) auf?
Welche Fragen hast du?
Finde deine Fragen, suche deine Antworten!
Am Ende dieses Textes nenne ich ein paar Instagram-Accounts bzw. Bücher, die mich in letzter Zeit begleitet haben und ich möchte dich – egal an welchem Punkt du gerade stehst – dazu ermutigen, dir zunächst über die Fragen klar zu werden, die du zu dem ganzen Themenkomplex hast – und dich auf die Suche nach Antworten zu machen, die dich zufriedenstellen.
Ich selbst habe weiterhin sehr viele Fragezeichen im Kopf und – ja – es ist natürlich auch zeitaufwendig, sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen. Die Zeit „fehlt“ an anderer Stelle. Und klar – es gibt so viele Themen und enorm wichtige Anliegen, die unsere Aufmerksamkeit und unser Engagement brauchen. Aber jetzt – in der aktuellen Lage und Phase – habe ich für mich entschieden, dass ich meine Zeit und Energie auch immer wieder (mindestens) meiner eigenen Meinungsbildung zu diesem Thema widmen möchte.
Denn eins ist ganz sicher KEIN Fragezeichen in meinem Kopf:
Der aktuell stattfindende G*n*z*d MUSS GESTOPPT WERDEN.
…und dazu scheinen mir diese 7 politischen Forderungen aktuell zentral und sollten auch seitens der deutschen Politik eingefordert / umgesetzt werden:
- Sofortiger Stopp aller Waffenlieferungen an Israel
- Anerkennung der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH)
- Einleitung von Sanktionen gegen die israelische Regierung
- Stopp der politischen Immunisierung Israels bei den UN
- Anerkennung des palästinensischen Staates (innerhalb 1967-Grenzen)
- Beendigung der pauschalen Antisemitismus-Gleichsetzung bei Israelkritik
- Kritische Überprüfung der „Staatsräson“-Formel
Es ist nie ZU spät, eine eigene Haltung zu entwickeln
Was es JETZT unbedingt braucht, damit auch an den politischen Schaltstellen etwas passiert, ist, dass die öffentliche Meinung „kippt“ und sich klar und deutlich mit den Menschen in Palästina solidarisiert. Und ich glaube, dass gerade wir in der „Eltern-Bubble“ uns hier noch klarer und offener positionieren und äußern müssen.
Und nun bin ich gespannt auf jede Resonanz zu diesem vielleicht ungewohnten Beitrag - vielleicht schreibst du mir einfach spontan deine Gedanken?
Christiane
Zum Weiterlesen und Meinungbilden:
Medico International (@medicointernational)
Amnesty Deutschland (@amnestydeutschland)
Kristin Helberg (@helbergkristin)
Christine (@tineliest)
Sophia Maier (@_sophiamaier)
Jouanna Hassoun (@jouannahassoun)
Sawsan Chebli (@sawsanchebli)
Serin Khatib (@serintogo)
Search for Common Ground (@searchforcommonground)
Judith Scheytt (@judithscheytt)
Sim Kern (@sim_bookstagrams_badly), Buch: „Genocide Bad“
Bücher von Ilan Pappé (aktuell: „Die vergessenen Palästinenser: Die Geschichte der Palästinenser in Israel“)
Alena Jabarine (@alenajabarine), Buch: „Der letzte Himmel – Meine Suche nach Palästina“; oder auch aktuelles Interview mit ihr bei Perspective Daily (@pdaily_)