Über den Umgang mit schmerzhaften Wahrheiten
"Das muss ich wohl einfach akzeptieren."

Wenn die Eltern-Kind-Beziehung im Erwachsenenalter belastet ist, kann eine Mediation neue Wege ebnen – und ganz ehrlich: Ich liebe es, diese Phase der Beziehungsgestaltung ein Stück weit zu begleiten.
Neulich saßen wir also zu viert in einer Familienmediation: Ein junges Paar – nennen wir sie Jean & Ida gemeinsam mit Jeans Mutter, nennen wir sie Gabi, und allparteilich dazwischen: ich, als Mediatorin.
In meinem Raum hier knallt die Sonne (wenn sie denn über Mannheim scheint…) tagsüber volle Kanne durch die Fenster. Ich lasse dann die Rollos runter, und die Schattenspiele an der Wand zu beobachten, hilft mir, klare Gedanken zu fassen, wenn die Gespräche mal wieder etwas hitziger werden. Denn klar:
Die Konfliktbearbeitung zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern ist meist kein Zuckerschlecken – es geht da schnell ans Eingemachte.
Jean ist übrigens beruflich „in der IT zuhause“ und als es um die Themenfindung des Termins geht, beschreibt er seine Wünsche mit Worten wie „Neustart“, „Beziehungs-Upgrade“ oder auch „Kriterien für die Kontaktgestaltung finden“, und ich kann mir unter diesen Begriffen tatsächlich viel vorstellen. Viel relevanter ist aber, ob sich auch seine Mutter etwas darunter vorstellen kann und was ihre Gedanken und Gefühle dazu sind?
Im Mediations-Raum darf sein, was ist
So moderiere ich die 3 Verständnis-fördernd durch ihre Themen und gebe ihnen den begleiteten Raum, der im Alltag oft fehlt und den sie intensiv nutzen. Vieles kommt zur Sprache und wird deutlich, vergangene Verletzungen und Missverständnisse, Loyalitätskonflikte des Sohnes zwischen seiner Frau und seiner Mutter, bislang unausgesprochene oder nicht beachtete Erwartungen, auch schmerzhafte Klarheiten über unvereinbare Positionen.
Jean beispielsweise liegt nicht mehr viel daran, „exklusive“ Zeit in der „alten“ Familienkonstellation zu verbringen – also Zeiten, in denen nur er, sein Bruder und seine Mutter „wie in alten Zeiten“ ein Wochenende verbringen und Uno spielen. Er sieht ganz praktisch dafür keine Notwendigkeit, empfindet keine Sehnsucht danach, wo für ihn doch mit Ida jetzt „die neue Kernfamilie“ besteht – warum solle Ida denn da nicht an Wochenenden mit dabei sein? Für Gabi ist das eine - auch - schmerzhafte Erkenntnis, denn sie verbindet viel Nähe und liebevolle Erinnerungen an diese Zeiten, fühlt sich dann auch wieder dem verstorbenen Mann und den Erinnerungen nah.
Und jede Perspektive ist unglaublich verständlich. Und darf gleichzeitig sein.
Solche schmerzhaften Erkenntnisse zeigen sich in vielen meiner generationsübergreifenden Mediationen. Sie können so vielfältig sein, wie es die menschlichen Beziehungen eben sind, aber es hilft jedes Mal, sie im geschützten Raum der Mediation aufzugreifen. Oft sind es gerade die schmerzhaften Klarheiten, die dann – nachdem sie Raum haben durften – neue Türen öffnen. Und um durch die Tür dann auch durchgehen zu können, braucht es – so erlebe ich es oft in meinen Mediationen – eine bewusste Phase des Akzeptanz findens.
Akzeptanz: Der erste Schritt aus der Belastung
„Das muss ich wohl einfach akzeptieren.“ stellt Gabi mit Tränen in den Augen fest, als Jean seinen Standpunkt ausgesprochen hat. Es ist ein Satz, der oft in solchen Momenten fällt – und zugleich ist dieses „einfach akzeptieren“ doch alles andere als einfach. Daher – und auch das kann Teil einer Mediation sein – frage ich dann gern, was genau es denn ist, das hier akzeptiert werden muss? "Das funktioniert ein bisschen wie ein Destillier-Apparat", erkläre ich: "Ich schütte oben rein, was ich denn irgendwie glaube akzeptieren zu müssen und prüfe – gemeinsam – dann nochmal kritisch, was genau es denn ist, das auch wirklich akzeptiert werden KANN."
Dabei geht es nicht darum, die Situation schönzureden oder Erwartungen aneinander völlig aufzugeben. Es geht vielmehr um eine ehrliche Bestandsaufnahme:
- Was ist realistisch?
- Was kann ich mir wünschen, aber nicht erzwingen?
- Was kann ich annehmen, ohne mich selbst zu verlieren?
Die Mutter in der Mediation muss akzeptieren, dass ihr Sohn eine andere Form von Beziehung wünscht als sie selbst. Dass er nicht „kalt“ oder „lieblos“ ist, sondern schlicht eine andere Vorstellung davon hat, was gesunde Nähe bedeutet. Der Sohn muss akzeptieren, dass seine Mutter diese Veränderung als Verlust empfindet – und dass ihr Schmerz darüber nicht automatisch ein Vorwurf an ihn sein muss.
Diese Momente sind nicht einfach.
Sie sind oft mit Trauer verbunden, mit Wut oder dem Gefühl des Kontrollverlusts. Doch erst wenn diese Akzeptanz langsam einsetzt, kann sich eine neue Form von Beziehung entwickeln. Eine, die weniger von alten Mustern bestimmt ist, sondern von dem, was für beide Seiten jetzt stimmig ist.
Warum Akzeptanz so schwer fällt
Viele verwechseln Akzeptanz mit Resignation. Aber Resignation würde beinhalten, sich der Situation ausgeliefert zu fühlen. Akzeptanz bedeutet, sie bewusst anzuerkennen und aktiv neue Wege zu gestalten. Der Grund, warum uns das so schwer fällt, ist oft emotionaler Ballast: die alten Erwartungen, das Bild davon, wie Familie „sein sollte“, und die Angst, dass Akzeptanz bedeutet, sich von etwas zu verabschieden, das einmal schön war.
In meinen Konfliktbegleitungen arbeite ich daher mit folgenden Schritten:
- Die Realität benennen: Was ist wirklich da, nicht nur aus meiner eigenen Wahrnehmung, sondern auch aus der des anderen?
- Gefühle anerkennen: Schmerz, Trauer, Enttäuschung – alles darf sein. Aber es geht darum, sie zu benennen, ohne sie in Vorwürfe zu verpacken.
- Neue Möglichkeiten entdecken: Wie kann eine Beziehung auf dieser neuen Basis gestaltet werden?
- Kleine Schritte statt große Sprünge: Manchmal reicht es, sich erst einmal darauf zu verständigen, wie oft man sich sieht oder wie man besser miteinander kommuniziert.
Aus „Das muss ich wohl einfach akzeptieren.“ wird „Das KANN ich akzeptieren – wie befreiend!“
Ich beobachte oft, dass es enormen „Druck vom Konflikt-Kessel“ nimmt, wenn sowohl Eltern wie auch erwachsene Kinder akzeptieren, dass die Eltern-Kind-Beziehung sich verändern und neu finden darf.
Ein Neustart. „Beziehung 2.0“ würde Jean sagen. „…oder auch 3.0 oder 4.0“ würde ich ergänzen. Und dass auch Bugs und Ruckeln bei solchen Prozessentwicklungen völlig normal sind und nicht gleich zum Systemabsturz führen müssen. Und vielleicht würde sich schon mit dieser etwas spielerischen semantischen Herangehensweise der ein oder andere Knoten im Kopf lösen und neue Ideen erlauben.
Was braucht es denn im neuen Beziehungs-Upgrade? Welche Features sind euch wichtig dabei? Welche Escape-Knöpfe wollt ihr installieren?
Akzeptanz ist oft ein Schlüssel in diesem Prozess, wenn auch nicht der einzige. Aber einer, der nach meiner Erfahrung eine zentrale Rolle spielt. So kann Mediation dabei helfen, dass sich aus alten Erwartungen eine neue Form von Beziehung entwickelt – eine, die für alle Seiten gesünder ist.
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