Blog Beitrag 03
Wenn nichts mehr hilft, wirf Stinkesocken.
Wir sind zu Hause seit neustem zu fünft und zählen nun auch noch einen kleinen vierbeinigen Freund zu unserer Familie. „Ja ja, das letzte Kind hat immer Fell.“ erklärte mir eine meiner weisen Freundinnen, nennen wir sie Judith. Und ja – die erste Zeit mit Welpe erinnert mich irgendwie auch gleich ein bisschen ans Wochenbett, wenn auch diesmal ohne vorher gefühlt eine Melone durch…na ihr wisst schon.
Denn es ist – wieder mal – eine enorme Phase der Veränderung. Und damit hab ich als tendenziell Kontroll-freakiger Mensch, der gern weiß wie der Hase läuft, schonmal ohnehin so meine Probleme. In all meinen bisherigen Umstellungsphasen haben sich zwei Eigenschaften immer wieder als Retter in der Not entpuppt, die meiner Meinung nach nicht hoch genug geschätzt und nicht oft genug trainiert werden können, nämlich:
Kreativität und Flexibilität – DIE Supportkräfte im Familienalltag
Du denkst jetzt vielleicht: Hä? Wassn daran bitte neu? Naja, daran ist erstmal gar nix neu. Und für die Leute, die von Natur aus kreativ in ihrem Denken und Handeln sind, und denen es nicht schwer fällt, flexibel auf (neue) Situationen zu reagieren – WIE SCHÖN! Wirklich! Ich bewundere und feiere das aus tiefstem Herzen! Nur – so bin ich halt nicht, zumindest nicht so ohne Weiteres. Mir fiel das schon als frische Mutter schwer. Ich brauchte einen ganz bewussten reflektierten Prozess, um zu erkennen, WIE hilfreich es ist, kreativ und flexibel an so ziemlich alles ranzugehen. Erst dadurch konnte ich die beiden Superkräfte gezielt in mein Gedanken- und Verhaltensrepertoire aufnehmen und reflexartiger abrufen.
Im Weg steht dabei oft die Wechselwirkung zwischen Stress und Kreativität. Denn wie Kryptonit schwächt Stress quasi sofort jegliche Kreativität und flexibles Denken. Ich spare mir hier neurobiologische Erklärungen – damit kennen andere sich besser aus – aber ganz grob:
Stress -> Körper in Alarmbereitschaft -> Cortisol in die Blutbahn -> Zentren für Verstand oder Kreativität werden runter gefahren.
Als ich neulich unsere Hundetrainerin anrief und sie völlig erschöpft um Unterstützung bat, wurde mir dieser Zusammenhang wieder so klar. „Kannst du mir BITTE noch ein paar Spielideen mitgeben, damit die Kinder sich mit dem Welpen auch mal anders als nur wild rum rennend und übereinander her fallend beschäftigen können? Ich bin grad einfach ZU GESTRESST, UM KREATIV SEIN ZU KÖNNEN!“ Klar doch! Leckerlis mit zerknülltem Papier in Schuhkarton verstecken und suchen lassen. Oder : Klorollen zerlöchern, Leckerlis rein, Seiten zudrücken. Und zack – fertig ist der Hundespaß, und die Kids stoppen die Zeit, bis er alle gefunden hat.
Es gilt also, diesen Kreislauf immer wieder zu durchbrechen, und ich behaupte: Das lässt sich trainieren!
Je öfter ich mich in Stresssituationen fast schon innerlich dazu ZWINGE („Na los, denk kreativ! Lass dir was einfallen! Bleib flexibel!“), desto öfter erlebe ich, wie krass gut sich das auswirkt, und – schwuppdiwupp – mich weniger gestresst sein lässt. Aber, ja: es kostet erstmal Überwindung und erfordert aktive Anstrengung. Doch seitdem ich in diesen Punkten mein Mindset angepasst habe, wird die Hürde immer niedriger, meine neu entdeckten Superkräfte fast schon reflexartig einzusetzen.
Stinkesocken-Schlacht? Grießbrei essen in der Wanne? Ein Schneemann aus Gartenleuchten-Made-in-China? Why not.
Schauen wir mal auf die Alltagssituation mit Kleinkind(ern): Anziehen, aus dem Haus kommen, essen, spielen, Zähne putzen, aufräumen, was erledigen müssen, ins Bett gehen, schlafen – irgendwie kann so ziemlich jede Situation aus dem Ruder laufen. Ich erinnere mich zum Beispiel an zwei quengelige Kinder, die weder Lust auf Abendessen, noch baden hatten, aber bei der Idee, beides zu kombinieren Feuer und Flamme waren – also ab in die Wanne und Grießbrei löffeln. Auch gegenseitiges Bewerfen mit stinkenden Socken sorgt direkt für gelöste Stimmung und gemeinsames Lachen – je Ekel-erfüllter die Geräusche und Grimassen, wenn man getroffen wird, desto größer der Spaß. Buddy, unser Welpe, liebt übrigens vor allem WOLLsocken, der Geruch scheint zweitrangig. Einmal haben wir – frustriert über den Fehlkauf dreier weißer Garten-Leuchtkugeln, die schon nach drei Tagen nicht mehr leuchteten – die drei Kugeln einfach mit Gaffer-Tape übereinander geklebt und fertig war der Schneemann – im Sommer – im Wohnzimmer.
Nur ein paar Beispiele, die bei uns so passiert sind, die unsere Familienbeziehungen gestärkt haben, die schwierige Phasen oder Situationen leichter gemacht haben, aber die nie entstanden wären, wenn wir uns nicht erlaubt hätten, kreativ und flexibel nach Lösungen zu suchen, die uns IN VERBINDUNG bringen, statt den Stress noch zu erhöhen. Aber was hilft uns dabei, uns mit uns selbst und anderen verbunden zu fühlen? Zunächst mal der Blick darauf, wie es um die Verbindung aktuell steht.
Zeit für eins meiner Lieblings-Tools: die Beziehungsbrille
Stell dir vor du hast eine Brille, durch die du in jedem Moment erkennen kannst, wie sehr in Verbindung du gerade bist? Mit dir selbst, mit deinem Gegenüber, ja selbst wenn du an jemanden denkst… Wie eine Röntgenbrille, die die Beziehungsqualität sichtbar macht. Ich finde, es lohnt sich ungemein, diese Brille immer wieder ganz bewusst hervorzuholen und durchzuschauen und einfach nur den Ist-Stand wahrzunehmen. Und das geht sowohl in akuten Stress-Momenten (da meistens erstmal für den Blick nach innen, auf die Beziehungsqualität zu mir selbst), als auch in eigentlich jedem Moment mit anderen Menschen, als kurzer Check zwischendurch.
Ich gehe (bzw. fühle) dabei dann zum Beispiel folgende Fragen durch:
· Spüre ich eine Connection? Fühle ich mich verbunden mit mir / dem Gegenüber?
· Hängt in unserem (oder meinem inneren) Verbindungsseil noch irgendein verknoteter Ballast drin, der unsere (meine innere) Beziehung belastet? (z.B. etwas Gesagtes oder ein Verhalten, das mich irritiert hat? Vielleicht etwas, was mir noch nachhängt nach der letzten Begegnung? Vielleicht ein ungeklärtes Thema zwischen uns? Vielleicht etwas, was ich dem anderen noch mitteilen will?)
· Weiß ich eigentlich, wie es meinem Gegenüber (mir selbst) gerade geht? Was sie/ihn/mich beschäftigt?
Meistens reichen diese Kernfragen, kurz durchgescannt, schon aus, um viel bewusster mit mir, dem Moment, meinem Gegenüber und der Situation umzugehen. Auch wenn ich zum Beispiel gespürt habe, dass da noch irgendwas ist, was aktuell unsere Verbindung beeinträchtigt (z.B. eine ungelöste Situation, ein Empfinden beim Gegenüber, das ich gar nicht beeinflussen kann), hilft allein das Anerkennen dessen schon. Lässt mich meinen Blick zu weiten und den Zustand unserer aktuellen Beziehungsqualität nicht als absolut wahrzunehmen, sondern als Momentaufnahme, die ihren Grund und ihre Berechtigung hat. Und es hilft zu sortieren, worauf ich (wir) vielleicht als nächstes unseren Fokus legen:
Was brauche ich und was brauchst du, um in Verbindung zu kommen oder zu bleiben?
Denn neben den Superkräften Kreativität und Flexibilität ist es doch immer wieder auch die Qualität unserer Beziehungen, die uns durch Zeiten der Veränderung trägt.
„Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Beziehung.“ – Virgina Satir
Danke für dein Interesse an meinem Blog! Und darüber schreibe ich: Über die Herausforderungen des Familienalltags und wie ich sie Schritt für Schritt mit meinen Lieblingstools wie Bedürfnisschlüssel und Beziehungsbrille gestalten kann. Immer wissend, dass der Entwicklungsprozess und das In-Verbindung-Sein mit mir selbst und meinen Herzmenschen für mich die wichtigsten, immer gültigen Ziele sind.
“...The greatest gift I can give is to see, hear, understand and to touch another person. When this is done I feel contact has been made.”